Kontakt finden und suchen

von Hermine Moser
In den letzten Tagen habe ich, nachdem ich in der Vorwoche verreist war, viel Zeit mit den Flüchtlingen in der Spittelstraße verbracht.
Ich möchte euch nun an einigen Erfahrungen und Eindrücken teilhaben lassen. Es geht darum, ob es uns gelingt, möglichst viele der BewohnerInnen der Spittelstraße in unsere Aktivitäten einzubeziehen. Das ist nicht einfach und nicht selbstverständlich.

Verschiedene Gruppen von Menschen

Die Gebildeten, die Erfahrenen und ein wenig „Weltgewandten“ suchen den Kontakt mit uns BesucherInnen. Sie sind begeistert von den Deutsch-Lern-Angeboten und von den Freizeit-Aktivitäten. Sie gehen auf uns zu, sie reden in der Regel gut englisch. Es ist ein Gewinn, mit ihnen zusammen zu sein.

Dann sind andere, die am Rand dabei sind. Sie verstehen eventuell nur wenig englisch, sie sind vielleicht schüchtern. Natürlich versuche ich, diese in die Gespräche und in den Austausch einzubeziehen. Ich spreche sie an, ich bitte andere, für sie zu dolmetschen. Aber sie gehen nicht so auf mich zu. Sie trauen sich nicht so sehr. Sie können sich ja nicht so gut ausdrücken. Auch ich kann dann nicht so viel mit ihnen anfangen.

Und dann sind diejenigen, die in ihren Zimmern bleiben. Die ich kaum sehe. Die sich im Bett verkriechen. Nach meiner Beobachtung sind das die ganz Jungen, die 20jährigen und darunter. Sie sind erst Anfang dieser Woche in Freistadt angekommen, haben den herzlichen offiziellen Empfang nicht miterlebt. Fühlen sich vielleicht nicht so willkommen geheißen und eingebunden. Die wohnen übrigens alle im 1. Stock. Klar, die ersten zogen in das Erdgeschoß ein, und die später Ankommenden füllten dann den 1. Stock. Dort sieht man sie nicht, sie laufen einem nicht über den Weg.

Die Schwierigkeit, eine neue Sprache zu lernen

Die Gewandten haben alle schon mit den Deutsch-Kursen begonnen und profitieren sehr davon.
Die beiden Familien mit jeweils zwei kleinen Buben waren über die Deutsch-Kurse nicht informiert. Ich habe sie ihnen gestern mit Dolmetscher und heute mit Hilfe des Stundenplans nochmals erklärt (einmal war offensichtlich keinmal). Da war die Frage der Kinderbetreuung zu lösen. Da es zwei Angebote für AnfängerInnen gibt, können sie gegenseitig auf die Kinder aufpassen. Das musste ich aber ansprechen, von selber wären sie nicht drauf gekommen. Nun hoffe ich, dass sie tatsächlich am Montag bzw. Dienstag in die Kurse einsteigen.

Und dann sind fünf junge Männer zwischen 18 und 24 Jahren. Sie sind diejenigen, die sich im Bett verkriechen, die man kaum zu Gesicht bekommt. Ich habe sie heute energisch aus den Zimmern geholt und in die Vorbereitung des Raums für das morgige Suppenessen einbezogen. Auch mit ihnen habe ich so gut es ging über die Wichtigkeit des Deutschlernens gesprochen und sie dazu „verdonnert“, am Montag zeitig aufzustehen und um 8:00 Uhr in der Sprachschule zu sein! Ali hat versprochen, sie dorthin zu begleiten.

Aufeinander zugehen kann man lernen

Später habe ich mit den jungen Männern noch „in Interaktion treten“ geübt. Mal sehen, ob sie morgen wirklich den ankommenden BesucherInnen die Hand geben, ihnen in die Augen schauen und „Willkommen“ bzw. wenn sie das deutsche Wort vergessen, welcome sagen. Und dabei lächeln.
Wir haben viel gelacht beim Üben. Meine „Strenge“ haben sie mir nicht übel genommen.

Informationen erreichen nicht alle

Nach all diesen Erfahrungen ist mir klar, dass Informationen nicht wirklich weiter gegeben werden. Das Suppenessen z.B. besprachen wir in der kleinen Gruppe schon am Mittwoch. Am Freitag war ich durch den Transport des Geschirrs vom Jugendzentrum in die Spittelstraße mit weiteren Leuten in Kontakt, die sagten, sie würden die anderen informieren.

Heute Nachmittag, als Hans und ich in der Spittelstraße ankamen, waren noch keine Vorbereitungen gemacht und viele wussten noch immer nichts über das morgige gemeinsame Essen.

Wer also Angebote machen will: Bitte die Bewohner persönlich informieren!

Ich bin davon überzeugt, dass diese anfängliche „Knochenarbeit“ sich lohnt. Je mehr an Zuwendung und Aufmerksamkeit, an Förderung aber auch Forderung wir jetzt geben, umso eher werden diese Menschen letztlich selbständig. Sie können die Zuversicht gewinnen, dass nach all dem Schweren, das sie erleiden und erleben mussten, das Leben hier in Österreich zu schaffen ist.